How to get ahead with a PhD – und warum Promovierte sehr viel mehr auf dem Kasten haben, als die THE meint

Oh no, not again! Ehrlich, ich hab‘ weder was gegen academics.com noch gegen die Times Higher Education (THE). Aber die Facebook-Seite von academics.com hat gestern mal wieder zu einem Doktorandenthema auf die THE verwiesen, und ich finde mal wieder, daß die THE insofern viel zu kurz greift…

Worum geht’s? Die THE hat einen Beitrag veröffentlicht mit dem Titel: „How to get ahead with a PhD“. Der befaßt sich allerdings nun keineswegs damit, wie man etwa mit seinem hart erarbeiteten und schwer erlittenen Doktortitel Karriere macht in den Wissenschaften. (Sehr empfehlenswerte Lektüre ist insofern zum Beispiel „A PhD is not enough“ von Peter J. Feibelman.) Die THE kümmert sich um etwas ganz anderes: die sogenannte „employability“ von Promovierten im Wilden Westen des freien Arbeitsmarkts außerhalb der Hochschulen. Welche Eigenschaften bringt denn so ein fertiger Doktor mit, die ihn für potentielle Arbeitgeber besonders attraktiv machen könnten? 

„Employability“: Welche Fähigkeiten die THE Promovierten zuspricht

Die THE verweist insofern auf eine Unterscheidung von Fähigkeiten, die die Association of Graduate Recruiters in einem Bericht vorgenommen habe: nämlich in „specialist, generalist, self-reliance, and teamwork“. Neben den speziellen Fähigkeiten, die sich naturgemäß je nach Promotionsvorhaben und Doktorand unterscheiden und zudem offener zutage liegen, sieht die THE die lieben Doktores vornehmlich in den folgenden Bereichen als befähigt an: Durchhaltevermögen, Planung, Korrekturen bei auftretenden Problemen, Aufnahme und Verarbeitung von großen Informationsmengen in kurzer Zeit, kritische Auseinandersetzung mit anderen Standpunkten und Methoden, Analyse und Interpretation, Präsentation, Selbstorganisation, Motivation und nicht zuletzt Resilienz. Das ist alles richtig (bzw. sollte es jedenfalls sein, wenn jemand seine Dissertation erfolgreich fertiggestellt hat). Die wesentliche Qualifikation, die ein Promovierter neben seiner fachlichen Expertise mitbringt, die bleibt hier allerdings außer acht.

Das Abenteuer Promotion

Wer sich in das Abenteuer Promotion stürzt, der macht sich an eine Aufgabe, die viel größer und komplexer ist als alles, was er zuvor bewerkstelligen mußte. Dazu wird man im Studium nicht ausgebildet, nicht im UK (dort habe ich einige Jahre an einer Universität der sog. Russell Group gelehrt) und auch nicht in Deutschland. Denn eine Promotion verlangt eine Dissertation, als Monographie oder, im Falle einer sog. kumulativen Dissertation, in Form mehrerer Veröffentlichungen in Fachzeitschriften. In beiden Fällen heißt es also: Schreiben! Und genau das ist hierzulande leider bestenfalls am Rande Bestandteil des Studiums. Hier fehlt eine entsprechende Tradition; hier fehlen regelmäßig die Mittel; hier fehlt vor allem das Bewußtsein, daß jeder, wirklich jeder Wissenschaftler schreiben muß, um mit seiner Forschung etwas auszurichten, auch wenn er ansonsten im Labor steht. Wer seinem Leser nicht verständlich und überzeugend vermitteln kann, was er getan und herausgefunden hat und warum das wichtig ist, der wird nur schwer Beachtung finden mit seiner Arbeit.

Aber Schreiben ist sehr viel mehr als ein Mittel zur Kommunikation von Forschungsergebnissen. Es ist ein unglaublich mächtiges Werkzeug schon im Forschungsprozeß selbst; es hilft Denkprozesse zu strukturieren, zu steuern und sehr viel besser zu nutzen – wenn man es einzusetzen weiß.

Können, was man gar nicht kann

Beim „Doktorieren“ wird das besonders wichtig: weil die Aufgabe wie gesagt so komplex und umfangreich ist, daß man mit den Pseudo-Strategien aus dem Studium nicht zurande kommt. Hier wird denn auch deutlich, was so besonders ist an Promovierten: Die haben nämlich gelernt, eine Aufgabe zu meistern, die sie eigentlich gar nicht meistern können. Sie haben das Rüstzeug nicht; es gibt auch keine Anleitung, die man nur befolgen müßte; tatsächlich gibt es im Zweifel niemanden sonst, der sich dieser Aufgabe stellen muß. Die meisten Doktoranden sind fachlich hochqualifziert und hatten während ihres Studiums nie mit ernsthaften Schwierigkeiten zu kämpfen. Nun aber kommen sie alle an einen Punkt, an dem sie schier verzweifeln: weil sie einfach nicht wissen, wie sie diese Aufgabe bewältigen sollen. Trotzdem müssen sie genau das. Sie müssen neue Strategien entwickeln, sie müssen andere Ansatzpunkte finden, sie müssen unzählige Möglichkeiten erwägen und probieren – und doch die allermeisten davon wieder verwerfen. Wer darob nicht das Handtuch wirft und auch nicht verrückt wird (was durchaus vorkommt), wer durchhält und weitersucht und weiter versucht und schließlich irgendwann den entscheidenden Durchbruch schafft: Der ist danach ein anderer. Der wächst nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Mensch.

Und genau das ist der Grund, warum Promovierte so oft in Führungspositionen zu finden sind. Um den Inhalt ihrer Dissertation geht’s dabei selten; um die Entwicklung, die damit einherging, aber sehr wohl.